Gewitzt wird von einer ganz absonderlichen Herzensliebe eines Ehepaares zu seinen Plüschtier-Affen berichtet oder nachdenklich und zugleich in lockerer Diktion von kleinen Naturwundern wie Kröten und geschändeten Fröschen erzählt. Freudig genießt man unbeschwerte Hochsommertage, dann wieder beherrschen Schwermut und tiefe Trauer um Vergangenes und Verlorenes die Textwelten.
Drei Autorinnen, jede mit ihrem eigenen Profil, spiegeln glasähnlich ein mannigfaltiges thematisches Panorama an Lebenssituationen und literarischen Gestaltungsformen. Wie kein "Splitter" dem anderen gleicht, so sind auch diese Prosatexte und Gedichte recht heterogen. Denn sie werden von den höheren Gewalten des Lebens diktiert: Sie sind ungleichmäßig, spitz, scharf und kantig.
Eveline Hoffmanns einführende "Fabel" steht programmatisch für diese Unterschiedlichkeit, ja Gegensätzlichkeit. Sie vereint die Symbolträger weißer Rabe und schwarzes Schaf als Außenseiter. Mit "Aufbruch" ist der kürzeste Prosawerk betitelt, die textuelle Umsetzung der Idee wird jedoch zu einer künstlerischen Herausforderung. Ein allzu menschliches Problem spiegelt das Gedicht "Übergewicht". Doch poetische Formhaftigkeit vermag auch physische Korpulenz zu ästhetisieren.
Hannelore Crostewitz versteht es, mittels des Spiels mit novellistischen Elementen und treffender Pointen den Spannungsbogen ihrer Prosatexte in immer neuen Variationen zu dehnen. Diese virtuose Umsetzung der Ideen in Textdispositionen, ganz besonders in der Kurzprosa, geht einher mit einer flüssigen Schreibweise. Die Lyrik lebt von erheiternder Parodie und Satire, bisweilen verflochten mit auffälliger metrischer Freizügigkeit.
Leichtigkeit, süßer Schwere und Bedrückung gleichermaßen sprechen aus Elisabeth Englers Lyrik. Der betörenden Wirkung der Königin aller Blumen in "Rose Érotique" hält antithetisch das Dunkel seine Macht entgegen. "Nach dem Verlust" frisst innere Trauer, Kontenance zu bewahren ist kaum möglich. Im Gegensatz dazu steht ein auf klarer Gedankenwelt basierender Textaufbau.
"Splitter und Glas" – die Rezensentin wünscht den Texten zurecht eine große Leserschaft. Sie möge die zahlreichen, in diesem Buch entfalteten Formen, Themen und Gemütsbewegungen mit allen Sinnen nachempfinden.
Dr. Christel Hartinger (Literaturwissenschaftlerin, Werkstattberaterin)
Zur Autorin Hannelore Crostewitz
Hannelores Crostewitz’ Geschichten beruhen ebenfalls auf den Erfahrungen, die sie in ihrem beruflichen und persönlichen Lebensumkreis machte und sie unterscheidet sich darin nicht von anderen Schreibenden, die nicht über einen gezielten Einstieg zum professionellen literarischen Produzieren gekommen sind, sondern denen das Notieren, Etwas-Aufschreiben eher "nebenbei" geschah und die erst dann, da es sich nicht nach jugendlichen Versuchen verlor, eine "Werkstatt" aufmachten, in der sie nun sozusagen regelmäßig schriftstellerisch tätig sind...
Aber Hannelore Crostewitz’ Geschichten offenbaren zwei Schreib- bzw. Text-Eigenheiten, die sich selten und selten so charakteristisch finden:
Fast alle Texte sind geschrieben – und sie können daher auch entsprechend gelesen, vorgelesen werden – aus einer bestimmten Mitteilungs-Haltung, einem spürbaren Rede-Gestus heraus, dies ein erstes Charakteristikum; es mutet so an, als ob die Verfasserin bewusst aus besonderen Veranlassungen heraus anhebt zu sprechen, sich mitzuteilen – es wird nicht ins Vage, in irgendeinen „leeren“ Raum hinein gesprochen, sondern adressiert übermittelt.
Etwa an eine Gästerunde, die sich zu einer Freundschafts- oder Wiedersehensfeier familiär versammelt hat und denen über "Eine leichte Bruhns" berichtet wird; etwa dann, wenn zu einer Lesung Leute zusammengekommen sein könnten, die unterhalten sein wollen, Interessantes, Heikles, möglichst Heiteres, das es zu belächeln gilt, erfahren wollen und denen die "Affenliebe"-Geschichte dann solche Erwartung erfüllt; etwa, wenn etwas so Extraordinäres erlebt wurde, dass die Schreiberin oder die Erzählerin sich dann erlaubt, den Bericht einer nahen Person in allen erfahrenen Details davon in aller wieder empfundenen Anspannung zu zumuten, so in "Nackte Tatsachen" oder sie nimmt Leute mit auf Erlebnisreise, so in "Beinahe verpasst"...
In solcher Weise werden die Geschichten von Hannelore Crostewitz von einem erzählerischen Stil getragen, der der Verfasserin dann gleichsam auch "hilft", inhaltlich nicht an den erlebten Erscheinungsformen zu verhaften, zu kleben, sondern der sie – wie im mündlich aufgeregten und angeregtem Berichtsstil – animiert, das authentisch Erlebte zu überschreiten und seine „Wahrheit“ durch Übertreiben/ Verändern/ Montieren/ Fiktivergänzen usw. erst eigentlich wertend zu fassen und auszuleuchten.
Und das zweite Charakteristikum ist – v. a. bei schreibenden Frauen – gewöhnlich eher nicht so stark ausgeprägt wie bei dieser Autorin: Sie enthüllt in den Geschichten jene komischen Momente und Qualitäten, die in Situationen/ Gestalten/ Beziehungen liegen können, wenn der/ die sie Wiedergebende in der Lage ist, sie als solche zu sehen. Hannelore Crostewitz wechselt – auf der Stufung komischer Sicht und Darstellung – schon ziemlich sicher zwischen humorvoller, ironischen und satirisch-grotesken Kennzeichnung, und sie vermag auch dies letztlich nur, weil der pure Erlebnisbericht schon "hinter ihr liegt", bevor sie zu gestalten beginnt.
Eine komische Betrachtungs- und Gestaltungsweise ist auch in zahlreichen Gedichten umgesetzt, deren Genrebreite bänkelartige Strophen, den Spruch, das Rundlied, den kabarettartigen Text und selbst den gehaltvollen Nonensvers umfasst. Der lyrische Text ist – es könnte angenommen werden: noch – nicht häufig anzutreffen, aber wenn er entsteht, ist ein ganz anderer, intensiver Erfahrungs-Ton zu hören.
Frauen- und Geschlechterproblematik, Beziehungsanalytisches, Lebensanforderungen in aller Härte und aller Seltsamkeit, wie es unter dem traditionellen Wort Schicksal gefasst werden kann, ist bisher dominierend im inhaltlichen Spektrum ihrer Prosa aufgenommen.
Die Autorin gehört seit etwa zehn Jahren zur Freitagswerkstatt "Erzählen und Schreiben"/ Verein DIALOG e.V. in Leipzig und sie hat – da ihre literarischen Arbeiten sie inzwischen in eine freiberufliche Arbeitssituation geführt haben – seit einiger Zeit die Leitung dieser Werkstatt übernommen. Ihr eigene Textarbeit erfuhr dadurch einen besonderen Schub: das kritisch-beratende Miteinander in der Gruppe lässt sie selbst natürlich dabei ihr Schreiben immer im Hinterkopf haben, es profitiert davon.
Arbeiten von Hannelore Crostewitz sind in der Werkstatt-Anthologie "Leipziger Rückspiegel" (Schkeuditzer Buchverlag 2004) erschienen; zusammen mit Elisabeth Engler und Eveline Hoffmann publizierte sie Prosa und Gedichte im Band "Splitter und Glas"
(Schkeuditzer Buchverlag 2007). Sie war mit ihren Texten an inzwischen schon sehr zahlreichen Lesungen, u.a. in Leipzig, zur Leipziger Buchmesse, im Leipziger Land, in Wurzen, Dresden, Bad Zwischenahn, Chemnitz, Krippena, in Jachymov Czech, beteiligt.
Sie ist Mitglied des Freien Deutschen Autorenverbandes(FDA).
Leipzig, im Oktober 2008